Leseprobe zu: Hotshots- Firefighters Band 1, Gefährliche Begegnung

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Bella Andre
Hotshots-Firefighters
Gefährliche Begegnung Band 1
© 2010 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.

und heiße Glut hindurch waren anderthalb Kilometer in sechs
Minuten und mit fünfzig Kilo Gepäck auf dem Rücken zwar ein
Witz, aber zumindest gab es ihnen eine reelle Chance, das hier
zu überleben. Jedenfalls solange keiner von ihnen stolperte oder
von seiner Angst überwältigt wurde.
Trotz der starken Steigung legten sie das erste Stück rennend
zurück. Einige Hundert Meter vor ihnen hatte das Feuer bereits
auf den westlichen Hang übergegriffen. Da er dicht mit Buschwerk
bestanden war, lieferte er dem hungrigen Feuer den perfekten
Mittagssnack. Ohne sein Tempo zu verringern, warf Logan
das schwere Gepäck zur Seite. Wind schlug ihnen entgegen und
blies ihnen Funken und Rauch in den Mund. Es brannte wie verrückt,
und Connor wurde von einem Hustenanfall geschüttelt;
aber auch er verlangsamte seine Schritte deshalb kaum.
Noch nie hatte Logan mehr Respekt für seine Jungs empfunden
als jetzt, in diesem Moment. Da waren sie, in einer wirklich
beschissenen Situation, rannten durch weiße Asche, während das
Feuer ihnen bereits an den Fersen leckte, und keiner von ihnen
weinte wie ein Baby; nicht einer von ihnen zog seinen Ein-Mann-
Feuerschutz hervor und kroch hinein.
Stattdessen rannten sie um ihr Leben.
Maya öffnete die Akte über Logan Cain, während sie an einer
Ampel auf dem Lake Tahoe Boulevard hielt. Sie saß in ihrem
Auto und betrachtete sein Foto. Unter Helm und Sonnenbrille
war nicht viel von seinem Gesicht zu erkennen, aber irgendetwas
an seinem anmaßenden Grinsen griff in sie hinein und drehte ihr
den Magen um.
Sie wollte daran glauben, dass ein Mann mit diesem Lächeln
und einer makellosen fünfzehnjährigen Laufbahn nicht imstande
wäre, ein tödliches Feuer zu legen. Aber in ihrer Ausbildung
zur Brandsachverständigen hatte sie gelernt, immer das
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Schlimmste zu vermuten, auch dort, wo niemand sonst es für
möglich hielt.
Seit ihrem Abschluss vor mittlerweile fünf Jahren arbeitete sie
jetzt schon für Cal Fire. Als ihr Bruder gestorben war, hatte Albert,
ihr Chef, ihr angeboten, sie könne sich so viel Zeit nehmen,
wie sie wollte. Doch mit Tonys Tod hatte sich alles verändert.
Brandstiftung war für sie zu einer persönlichen Angelegenheit
geworden. Es war nicht länger etwas Schreckliches, das Fremden
zustieß, die sie dann im Zug ihrer Ermittlungen zu befragen
hatte. Im vergangenen halben Jahr hatte sie mehr Brandstifter
hinter Gitter gebracht als irgendein anderer Brandermittler, der
jemals für Cal Fire gearbeitet hatte.
Brandstifter zu schnappen, war für sie mehr als nur ein Weg,
ihr Diplom in Strafrecht nutzbringend anwenden zu können und
gleichzeitig in der ihr seit ihrer Kindheit vertrauten Welt der
Brandbekämpfung zu arbeiten: Es war zu ihrer persönlichen
Mission geworden, die auch beinhaltete, denjenigen aufzuspüren,
der das Feuer gelegt hatte, in dem Tony sein Leben hatte
lassen müssen.
Sie hatte erwartet, dass im Zusammenhang mit dem Brand
von damals mittlerweile ein Gesicht oder ein Name aufgetaucht
wäre, irgendjemand, auf den sie ihre Wut richten könnte. Aber
seit sechs langen Monaten führte eine Spur nach der anderen
ins Nichts.
Streng genommen, war es ja auch gar nicht ihr Fall, doch sie
stand mit Cathy Hart, der staatlichen Ermittlerin, in ständigem
Kontakt. Aber sie war genauso entschlossen und frustriert, als
wäre sie zuständig. Sie wusste, Cathy war nicht gerade begeistert
davon, dass Maya jeden ihrer Schritte verfolgte. Wenn sie jetzt
noch erfuhr, dass Maya den Waldbrand in der Desolation Wilderness
an sich gezogen hatte, nur um eine Ausrede zu haben,
für ein paar Wochen in der Gegend von Lake Tahoe bleiben zu
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können, dann würde sie darüber auch nicht eben überglücklich
sein.
Maya wollte unbedingt selbst Nachforschungen im Fall ihres
Bruders anstellen, und nicht nur übers Telefon oder per E-Mail
mit den betreffenden Leuten kommunizieren. Besonders jetzt,
da Cathy kurz davorstand, das Feuer unter der Rubrik »Unfall«
zu den Akten zu legen. Maya würde nicht eher wieder ruhig
schlafen können, bis sie mit hundertprozentiger Sicherheit wusste,
wie das Feuer ausgebrochen war, das Tony getötet hatte.
Aber zumindest während der nächsten Woche musste sie
ihre Aufmerksamkeit auf den ihr zugewiesenen Fall richten. Sie
sah noch einmal in die Akte von Logan Cain, die sie sich auf
den Schoß gelegt hatte. Dort las sie von einer ganzen Reihe
von Heldentaten. Die Berichte aus fünfzehn Dienstjahren als
Hotshot zeichneten das Bild eines mustergültigen Feuerwehrmanns,
eines geborenen Helden, der teure Grundstücke, die
Habseligkeiten der Bewohner und auch viele Menschenleben
gerettet hatte. Er wirkte wie ein Mann, der Tag für Tag sein
Leben riskierte, weil er wusste, dass es das Richtige war.
Gleichzeitig war sie davon überzeugt, dass Logan dieses Risiko
brauchte. Die Sucht nach dem Adrenalin war Teil des Jobs.
Wenn ein Hotshot nicht darauf aus war, dem Feuer in den
Arsch zu treten, würde es im Gegenzug genau das mit ihm tun.
Brandstifter hingegen waren Persönlichkeiten, deren Faszination
für Feuer sie jeden Sommer wieder in den Wald führte,
einfach nur um sich an dem Gefühl zu berauschen, mitten in
einem unkontrollierbaren Flammenmeer zu stehen.
Aber dieser Fall lag anders. Es war das erste Mal, dass sie
beurteilen sollte, ob ein Hotshot schuldig war. Wäre Logan einfach
nur irgendein freiwilliger Feuerwehrmann, dann wäre die
Sache klar. Diese Amateur-Brandbekämpfer waren oftmals verzweifelt
auf der Suche nach Ruhm und Action. Vor einigen Jah31
ren hatte sie sogar an einem Bericht des FBI mitgearbeitet, der
untersuchte, wie sich Brandstiftung durch Feuerwehrmänner
erkennen und verhindern ließ. Häufig war es Langeweile, die
sie dazu trieb, Waldbrände zu legen. Ebenso häufig ging es um
Geld, da ein schlimmer Brand immer jede Menge Überstunden
bedeutete und somit auch mehr Lohn für die Einsatzkräfte. Aber
die Hotshots hatten sowieso immer genug zu tun und mussten für
Überstunden bestimmt nicht auf Brandstiftung zurückgreifen.
Auch wenn es zu den schlimmsten Aspekten von Mayas Job
gehörte, Feuerwehrmänner zu suspendieren – schlimmer war
nur noch, Überlebende zu befragen, die ihr gesamtes Hab und
Gut verloren hatten –, sie würde ihren Auftrag trotzdem erledigen,
ganz gleich, wie übel die Sache wurde. Sie würde einen
weiteren Brandstifter hinter Gitter bringen.
Maya wiegte den Kopf hin und her und versuchte, aus dem
Fall schlau zu werden, denn in Logan Cains Akte fand sich nichts,
was zum Profil eines Brandstifters gepasst hätte. Aber die Beweislage
sprach gegen ihn.
In den vergangenen Wochen hatten zwei verschiedene Gruppen
von Wanderern einem Ranger Auffälligkeiten gemeldet.
Offenbar
hatte der Hotshot sich an einem Lagerfeuer zu schaffen
gemacht, und das an einem der Tage, an denen das streng
verboten war. Am Telefon hatte sie beide Gruppen befragt, und
diese hatten ihr berichtet, Logan hätte sich mehr als merkwürdig
verhalten, als sie sich ihm näherten. Sobald der Flächenbrand
bemerkt worden war, hatte derselbe Ranger die Forstbehörde
kontaktiert und diese belastenden Informationen weitergegeben.
Und dann, gerade erst gestern, war Logans Name von einem
anonymen Anrufer bei der »Smoky the Bear«-Hotline, die zur
Sammlung von Hinweisen im Dienst der Waldbrandaufklärung
eingerichtet worden war, genannt worden. Hinzu kam noch sein
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in den letzten Wochen in aller Öffentlichkeit ausgefochtener
Kampf gegen Rentenkürzungen und Einschnitte in der Gesundheitsversorgung
von ehemaligen Hotshots. Mayas Chef hatte ihr
daraufhin unverzüglich den Fall anvertraut.
Ein Blitz als natürliche Erklärung schied aus – insgesamt
wurden neunzig Prozent aller Waldbrände von Menschenhand
gelegt –, und so schienen alle Fährten direkt zu Logan Cain zu
führen, dem Leiter der Hotshot-Crew hier vor Ort.
Sie legte seine Akte auf den Beifahrersitz und wandte ihren
Blick wieder der dicken schwarzen Rauchsäule zu, die vom Talboden
aufstieg. Sie schaltete auf Vierganggetriebe um und bog
in eine kleine unbefestigte Straße, die vom Highway 50 abging.
Sie war sich sicher, dass die Crew dort oben auf dem Berg gerade
das Feuer bekämpfte, also fuhr sie direkt an der Einsatzzentrale
der Tahoe Pines Hotshots vorbei zum höchsten Punkt der
Hügelkette.
Die Berichte der zuständigen Forstbehörde ließen darauf
schließen, dass das Feuer sich zwar ausbreitete, aber noch unter
Kontrolle war. Sie stellte die Scheibenwischer an, um die Windschutzscheibe
vom Ruß zu befreien. Dann lehnte sie sich vor
und sah blinzelnd in den Himmel. Der Rauch hatte einen grauen
Schleier über ihn gebreitet. Wie um alles in der Welt kamen die
darauf, dieser Brand hier sei eingedämmt?
Ihrer Meinung nach war genau das Gegenteil der Fall. Ein
Feuer, das unterschätzt wurde, war lebensgefährlich. Wenn es
erst einmal außer Kontrolle geraten war, würde es alles vernichten,
das ihm im Weg stand – auch alle Feuerwehrmänner, die
gerade da oben auf dem Berg waren.
Maya wurde plötzlich von einer dunklen Vorahnung erfasst.
Verbrannte Erde. Todesopfer. Oh Gott, sie hätte niemals hierherkommen
dürfen! Hier, am Lake Tahoe, hatte sie die schlimmsten
Stunden ihres Lebens zugebracht, unmittelbar nachdem Tony
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umgekommen war. Im Gegensatz zu den Touristenströmen, die
es zum Skifahren und wegen des Glücksspiels hierher zog, nahm
sie die Schönheit des Sees und der Kiefernwälder gar nicht wahr.
Sie hatte vielmehr den Tod vor Augen.
Verzweiflung.
Und einen unentschuldbaren Nachmittag in den Armen eines
wildfremden Mannes.
Sie setzte die Sonnenbrille auf, griff nach dem Fernglas und
stieg aus dem Auto. Mit schnellen Schritten stieg sie zum Aussichtspunkt
auf dem Bergkamm auf. Sie sah ein paar Eimer voll
mit Medikamenten und Verbandsmaterial, die jemand einfach
hinter einem dicken, ausgetrockneten Strauch Wüstenbeifuß
hatte stehen lassen.
Ein beunruhigendes Gefühl machte sich in ihrem Brustkorb
breit. Dieses Feuer war offensichtlich außer Kontrolle geraten,
und doch waren weder Wassertanks noch Löschhubschrauber zu
sehen; auch keine zusätzlichen Waldbrandbekämpfungsteams,
die mit anpackten.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie auf eine Gruppe
von Hotshots zulief, die oben auf dem Kamm der Hügelkette
standen. Sie zählte schnell durch – es waren siebzehn Mann.
Das bedeutete, dass drei von ihnen immer noch da unten waren,
mitten im Feuersturm.
War einer von diesen Männern vor ihr der Verdächtige? Hatte
er überhaupt schon begriffen, dass die Strafe bei einem Todesfall
in der Truppe weitaus höher sein würde als nur eine Entschädigungszahlung
in Millionenhöhe, die im Normalfall als Ersatz
für vom Feuer zerstörtes Eigentum von ihm zu leisten war? Er
würde wegen Mordes angeklagt werden … und den Rest seines
Lebens mit einer erdrückenden Schuld leben müssen.
Ein älterer Mann, von dem sie annahm, dass es sich bei ihm
um den Gruppenführer handelte, sprach ununterbrochen in sein
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Funkgerät. »Logan. Sam. Connor. Bitte antwortet, falls ihr mich
hören könnt.«
Sie kniff die Augen zusammen und blickte in das Feuer hinunter.
Nach einer Weile konnte sie dort drei Menschen ausmachen,
die sich langsam auf sie zu bewegten. Ihre weißen Schutzhelme
kamen erfreulich schnell näher.
Der Gruppenführer hatte den Namen des Verdächtigen genannt,
und sie fragte sich kurz, welcher der drei es wohl war, aber
sie konnte sich nicht lange auf diesen Gedanken konzentrieren,
denn ihr gesamtes Denken und Fühlen war nunmehr auf den
Wunsch gerichtet, alle drei Hotshots heil da rauskommen zu
sehen.
Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, was ihre Familien
durchmachen würden, sollten sie diesen einen, von allen Angehörigen
eines Feuerwehrmannes mehr als alles andere gefürchteten
Anruf erhalten, der den Moment markierte, vor dem sich
jeder fürchtete, der einen Sohn oder Bruder oder einen Ehemann
hatte, der als Feuerwehrmann arbeitet.
Sie hatte es erlebt. Es war grauenvoll.
Das Feuer rollte wie eine Welle auf sie zu. Maya hatte noch
nie etwas Vergleichbares gesehen. Auch wenn ihr Bruder von
klein auf hatte Feuerwehrmann werden wollen, hatte sie nie das
Bedürfnis gehabt, Feuer auf diese Weise, im direkten Einsatz
vor Ort zu bekämpfen. Ihr Vater war derjenige gewesen, der ihr
empfohlen hatte, von der Strafverfolgung zur Brandermittlung
zu wechseln, und dort hatte sie ihren Platz gefunden. Das war ihr
Weg, das Feuer, das in ihren Adern floss, zu löschen.
Seit Tonys Tod hatte sie jedoch jedes echte Feuer gemieden
wie der Teufel das Weihwasser. Sie fühlte sich vollkommen überfordert
dabei, der Zerstörungswut dieses Waldbrands, der den
sicheren Tod bedeutete, ins Auge zu blicken. Sie hatte Mühe,
Bilder von Tonys Todeskampf zurückzudrängen, die in ihr auf35
stiegen; Bilder von schwarzem Rauch, der seine Sicht vernebelte,
das Bersten eines verkohlten Balkens unter seinen Stiefeln, die
Gewissheit des nahen Todes. Wie sehr er gelitten haben musste!
Aber sie durfte jetzt nicht an ihn denken – wenn sie an diesen
dunklen Ort in ihrem Innern ging, dann würde sie ihr Mittagessen
nicht bei sich behalten können.
Tödliche Stille umgab die Männer, die zusahen, wie die
Flammen immer weiter emporloderten. Wenn ein Feuer auf
diese Art explodierte und es zu einem Feuersturm kam, ging
kein Feuerwehrmann, der noch bei Verstand war, wieder hinein.
Dann würden nur noch mehr Leben auf dem Spiel stehen. Den
siebzehn Männern blieb keine andere Wahl, als ihren drei Kameraden
beim Sterben zuzusehen.
Hilflos starrte auch Maya in die Flammen, und eine undenkbare
Frage bohrte sich ihr ins Gehirn: Wenn diese drei Männer
heute starben, wie sollte es den anderen Hotshots dann jemals
gelingen, diese Bilder wieder aus ihren Köpfen zu vertreiben?
Wie sollte es ihr selbst gelingen?
Denn auch aus dieser Entfernung konnte Maya genau erkennen,
dass die drei kurz davorstanden, von den Flammen eingeholt
zu werden. Nur ein Windstoß, und sie würden in den Feuersturm
hineingesaugt werden, und Haut und Knochen würden
ihnen am lebendigen Leib wegschmelzen. Galle stieg ihr den
Hals hinauf, und sie schluckte sie wieder hinunter; ihr war klar,
dass sie jetzt unmöglich durch eine Ohnmacht oder Übelkeit die
Aufmerksamkeit der Feuerwehrmänner auf sich lenken durfte.
Der Mann mit dem grauen Bart schrie in sein Funkgerät: »Die
Felswand, rennt zur Felswand, ihr müsst diese verdammte Wand
erreichen.«
Maya war so stark von den orangeroten Flammen geblendet
gewesen, dass sie die Felswand, die sich bis in den Canyon
hineinzog, gar nicht bemerkt hatte. Wenn die Männer diesen
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Aufstieg schafften, dann würde die Feuerwalze vielleicht auf
einen anderen Weg umgelenkt werden, was ihnen das Leben
retten würde.
Aber sie wusste auch, dass sie die Anweisungen des Gruppenführers
nicht hören konnten. Selbst wenn sie ihre Funkgeräte
noch nicht fortgeworfen haben sollten, um weniger zu tragen
zu haben, würde das Tosen der Flammen, der Rauch und ihr eigenes
Blut, das ihnen laut durch die Adern strömte, es unmöglich
machen, irgendetwas anderes wahrzunehmen.
Los, los, los!, schrie sie innerlich und konnte sich kaum beherrschen,
es nicht laut zu rufen.
Das Feuer griff nach den winzigen Gestalten, und Maya sah,
wie eine Druckwelle einen der Männer zu Boden warf; er fiel
direkt mit dem Gesicht in den Staub. Maya keuchte auf und
schlug sich die Hände vor den Mund. Sie sog den Schrei ein,
der aus ihr hervorbrechen wollte, und obwohl sie so weit vom
Feuer entfernt war, versengte der Rauch ihr dabei die Lunge.
Voller Entsetzen sah sie mit an, wie die beiden anderen Männer
zurückliefen, um dem, der hingefallen war, zu helfen.
Das brüderliche Band, das den Zusammenhalt unter Feuerwehrmännern
ausmachte, war stärker als alles andere; es stand
sogar über der Sicherung des eigenen Überlebens. Die anderen
beiden Männer würden bei dem Versuch sterben, ihrem Freund
zu helfen.
Maya bewegte die Lippen und betete lautlos für die drei Männer.
Sie war nicht die Einzige. Der Berggipfel voller Hotshots
hatte sich in eine stumme Totenwache verwandelt.
Nach einem Zeitraum, der sich wie Minuten anfühlte, jedoch
nur wenige Sekunden lang gewesen sein konnte, erschienen die
drei oben auf dem Felskamm. Zwei von ihnen hatten den Dritten
in die Mitte genommen, und trotz seiner Last und trotz des
steilen Anstiegs rannten sie schneller, als die meisten anderen
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Menschen ohne jegliches Gepäck auf ebenem Pflaster es gekonnt
hätten.
Der Mann mit dem Funkgerät wandte sich seinem Team zu.
»Sie werden unter Verbrennungen leiden, unter Dehydrierung
und Schock. Wir werden sie jetzt nicht wegen so was verlieren.
Nicht einen von ihnen, verdammt!«
Ohne groß darüber nachzudenken, fand Maya ihren Platz in
der Hilfskette, die jetzt gebildet wurde, um Zelte, Medikamente
und Verbandsmaterial auszuladen und bereitzustellen. Ein Krankenwagen
würde auf der kurvigen Straße hier herauf mindestens
dreißig Minuten brauchen.
Mehrere Feuerwehrmänner fassten mit an und trugen den
verletzten Kameraden in den Schatten eines Zeltes, das sie gerade
aufgebaut hatten. Seine Hände waren knallrot, seine Haut war
mit Blasen übersät. Am ganzen Körper zitternd vergewisserte sie
sich kurz, dass sie sich nicht würde übergeben müssen, bevor sie
frisches Wasser und Mullbinden zum Zelt brachte.
Sie dankte Gott dafür, dass der junge Mann sich am Rande
einer Ohnmacht befand, und sah den Feuerwehrmännern dabei
zu, wie sie ihm alle Kleidungsstücke abnahmen, die nicht weggeschmolzen
waren, um seine Verbrennungen mit kaltem Wasser
zu kühlen. Es roch nach verbranntem Fleisch.
Obwohl sie seit nunmehr fünf Jahren Überlebende von Bränden
befragte und Brandstifter verfolgte, hatte sie doch noch
nie selbst mit angesehen, wie Männer über sich selbst hinauswuchsen,
um schneller zu rennen als ein tödliches Feuer. Vom
Verstand her hatte sie natürlich stets begriffen, dass ihr Vater und
ihr Bruder nicht einfach nur kleine Feuerchen löschten, aber sie
waren zu Hause immer so ausgelassen und fröhlich aufgetreten,
dass sie sich erlaubt hatte, die Augen vor der Realität ihres beruflichen
Alltags zu verschließen.
Sich diesem Schmerz zu stellen – und diesem unvorstellbaren
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Mut –, erschütterte Maya bis ins Mark. Ihr drehte sich der Magen
um, aber sie würde es sich nicht erlauben, wieder die Fassung zu
verlieren. Sie war stärker als dieses Gefühl.
Sie musste jetzt stark sein.
Die beiden anderen Hotshots traten in ihr Gesichtsfeld, auf die
breiten Schultern ihrer Kollegen gestützt. Bis auf das Weiße der
Augen waren sie über und über mit Ruß und Schmutz bedeckt.
Nachdem die anderen auch sie in den Schatten gebracht hatten,
tranken sie gierig aus den bereitgestellten Wasserflaschen. Beide
waren groß, und ihre schlanken und doch kräftigen Körper waren
für das Unglaubliche, was sie gerade geleistet hatten, wie geschaffen.
Angesichts dieser Verletzungen war es schwierig, weiter an
den Grund ihres Hierseins zu denken: um einen Brandstifter
zu überführen. Mit dem außer Kontrolle geratenen Waldbrand
und dem verletzten Hotshot hatte der Fall eine völlig neue Bedeutung
gewonnen.
Routiniert heftete Maya ihren Blick auf den Mann, den sie
Logan nannten. Er nahm gerade den Helm ab, und so konnte
sie endlich sein Gesicht erkennen. Unwillkürlich wich sie zurück
und stieß gegen einen Baumstumpf.
Er. Oh Gott!
Der Barkeeper.
Er sah genau so aus wie damals.
Durchtrainiert.
Verdammt attraktiv.
Noch dazu war er schweiß- und rußverschmiert, weil er gerade
einer tödlichen Feuerwalze entkommen war.
Sie schloss die Augen und hielt sich an der Rinde fest, weil
die Erde sich auf einmal viel zu schnell um sie drehte. Die ganze
Zeit über war sie überzeugt gewesen, ihr größter Fehler sei nur
ein Barkeeper gewesen. Irgendein aufregender Typ mit Basecap,
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der ihr Drinks serviert und ihr dabei geholfen hatte, die Zeit anzuhalten,
wenn auch nur für eine Handvoll Minuten.
Kein Feuerwehrmann.
Kein Hotshot.
Und schon gar nicht ihr Hauptverdächtiger in diesem Fall.

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