Leseprobe zu: Zero Unit Band 1 - Tiefer Fall

Mehr Informationen zu diesem Titel:
www.egmont-lyx.de
© 2011 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Unverkäufliche Leseprobe



»Mein Gott, Rain, nun lächel doch mal! Ist ja nicht so, als ob wir
zu einer Beerdigung unterwegs sind.«
Gina Cappozi rollte mit den Augen und beförderte ihre beste
Freundin mit einem festen Schubs durch die Tür des ehrwürdigen
Park Avenue Hotels, nur wenige Blocks entfernt vom
BellevueHospital,
in dem sie und Lorraine Martin arbeiteten.
Sie hatten es beide bis Punkt acht Uhr hierhergeschafft und
hatten sogar zu Fuß zu dem Hotel laufen können – dank Gina,
die schon vor zwei Stunden in Rainies Wohnung aufgetaucht war
und ihr so lange zugesetzt hatte, bis sie in dem blauen Versace-
Kleid steckte. Nur unter Protest hatte Lorraine dieses hautenge,
trägerlose Cocktailkleidchen bei einem gemeinsamen Einkaufsbummel
an ihrem freien Tag im Filene’s erstanden.
Rainie zupfte am Saum herum, der ein gutes Stück über den
Knien endete, nur um gleich darauf das Oberteil hochziehen
zu müssen, weil der tiefe Ausschnitt ihr Dekolleté freizulegen
drohte. Großartig.
Sie gesellten sich zu der kleinen Gruppe lächelnder, herausgeputzter
Singles, die alle im Krankenhaus arbeiteten, und wurden
dann durch die elegante Empfangshalle im Art-déco-Stil
und die Rolltreppen hinauf bis zur Anmeldung im Zwischengeschoss
geleitet. Alle hatten sich schick gemacht und verströmten
erwartungsvolle Anspannung. Aufgeregt strahlte Gina sie an.
Rainie war leicht übel.
Speeddating.
Großer Gott. Wie hatte sie sich nur jemals dazu überreden
lassen können?
In den letzten Jahren hatte Rainie die Partnersuche so gut
wie aufgegeben. Wem stand nach einem langen Tag oder einer
langen Nacht in der Notaufnahme – voller Blut, Drogen, Gewalt
und sinnlosem Sterben – denn noch der Sinn nach Romantik?
Auch wenn Gina darauf beharrte, dass sie genau deswegen bei
jeder sich bietenden Gelegenheit nach Romantik suchen musste.
Als eine Art Selbstmedikation gegen die erdrückende psychische
Belastung ihrer Arbeit.
Gina hatte leicht reden. Als Ärztin und Professorin leitete sie
ein Genforschungsprojekt an der Columbia University. Zusätzlich
arbeitete sie einmal wöchentlich in der Kinderabteilung des
Bellevue und behandelte dort niedliche Kleinkinder. Wirklich
eine Riesenbelastung, mit der sie da zurechtkommen musste.
Nun, wenigstens bestand hier nicht die Gefahr, sich ernsthafter
Beziehungsabsichten erwehren zu müssen. Auf eines konnte
man sich bei Menschen in medizinischen Berufen verlassen – sie
waren allesamt mit ihrer Arbeit verheiratet und mindestens so
getrieben wie Rainie selbst. Deswegen waren diese Treffen ja
auch besonders beliebt bei den Mitarbeitern des Bellevue. Triff
deine Wahl und nimm dir ein Zimmer. Igitt. Und genau deswegen
hatte Rainie diese Treffen bisher gemieden. Es war einfach zu
offensichtlich, was hier ablief, geradezu peinlich. Sicher, es war
bereits eine Weile her, dass sie diese unbekümmerte Aufregungverspürt
hatte, sich körperlich zu einem Mann hingezogen zu
fühlen, und noch viel länger, dass sie dem auch nachgegeben
hätte, aber fehlte ihr der Sex wirklich so sehr? Eigentlich nicht.
»Wow, jetzt sieh dir mal die Muskeln von diesem Kerl an«,
murmelte Gina, während sie auf einen blonden Surfertyp zeigte,der
in der Schlange vor der Anmeldung für einen Schwarm
weiblicher Bewunderer seinen Bizeps anspannte.
»O bitte. Der ist doch keinen Tag älter als fünfundzwanzig«,
brummelte Rainie leicht entsetzt. Sie und Gina hatten die dreißig
bereits vor einigen Monden überschritten.
»Dann kann er sicherlich eine nette Kinderärztin gebrauchen
«, erwiderte Gina augenzwinkernd.
Als das Jüngelchen vor den eigens für diese Veranstaltung abgestellten
Fotografen posierte, wurde das Foyer in Blitzlicht getaucht.
Bereits morgen würden Bilder und Videos auf der Website
der Dating-Agentur zu sehen sein. Noch ein weiter Grund,
warum Rainie bislang jede Einladung von Gina ausgeschlagen
hatte, sie zu einem solchen Treffen zu begleiten. Wer wollte seine
Schande denn auch noch für die Nachwelt festgehalten wissen?
»Er sieht nicht gerade aus, als ob er viel im Kopf hat«, rauntesie
und hoffte, dass ihre Freundin nur scherzte. Gina war blitzgescheit,
aber ihr Sinn für Humor war etwas schräg. »Wahrscheinlich
leert er den ganzen Tag über Bettpfannen«, fügte sie
sicherheitshalber noch hinzu.
»Und was genau willst du mir damit sagen?«, gab Gina unbekümmert
zurück.
Offensichtlich hatten die Hormone über ihre Intelligenz gesiegt.
»Okay, hab schon verstanden«, sagte Rainie mit ironischem
Lächeln. »Den gesunden Menschenverstand und jegliches Niveau
lässt man bei so etwas an der Tür zurück.«
»Na, nun kommst du der Sache näher.«
Nachdem sie sich Namensschildchen an die Brust geklebt hatten,
folgte Rainie Gina widerstrebend in einen überfüllten Ballsaal.
Eine Hälfte des Raums war mit nummerierten Tischen
mit jeweils zwei Stühlen vollgestopft. In der anderen Hälfte
standen die Teilnehmer herum und nippten an ihren Getränken,
während sie darauf warteten, dass die Veranstaltung losging. Es
herrschte ohrenbetäubender Lärm.
Rainies Puls kletterte in die Höhe. Chaos und Unordnung
waren ihr extrem zuwider, wie generell alle Situationen, die sie
nicht kontrollieren konnte.
»Also, wer gefällt dir?«, fragte Gina nahe an Rainies Ohr gelehnt.
Prüfend betrachtete sie die männlichen Kandidaten, so als
würde sie die Sonderangebote bei Macy’s absuchen.
Rainie seufzte und blickte nervös um sich, versuchte, in der
Menge einen Mann ausfindig zu machen – irgendeinen Mann –,
der sie allein vom Aussehen her genügend faszinierte, dass sie
es drauf ankommen lassen würde. Aber sie sah nur die ihr bekannten
Ärzte, Assistenzärzte, Praktikanten und Verwaltungsangestellten,
denen sie auch täglich im Krankenhaus begegnete.
Na ja, selbst wenn es vielleicht nicht genau dieselben waren, so
doch zumindest die gleichen Typen. Die Männer, die haifischgleich
ihre Runden im Raum zogen, hatten alle dieselbe aalglatte,
routinierte Art; dasselbe routinierte Lächeln auf den Lippen;
und ohne Zweifel dieselben aalglatten, routinierten Anmachsprüche
auf Lager, die irgendwann an jeder Krankenschwester
unter vierzig ausprobiert wurden.
Na schön, unter fünfzig.
Rainie begann ernsthaft über einen taktischen Rückzug nachzudenken,
und ihr Blick wanderte zur Eingangstür. Durch die
gerade ein Mann hereinkam.
Hoppla!
Ihre Fluchtpläne fanden ein jähes Ende.
Dieser Mann war eindeutig anders. Der sah alles andere als
aalglatt
aus. Und war weit älter als fünfundzwanzig. Mit dem
zerknitterten dunkelblauen Anzug und dem leichten Dreitagebart
sah er eher nach einem überarbeiteten Polizisten als nach
einem Arzt aus – diesen Typ Mann kannte sie gut, weil sie jeden
Tag in der Notaufnahme mit ihnen zu tun hatte. Er wirkte wie
ein harter Kerl. Abgestumpft. Eiskalt. Gefährlich.
Und verdammt faszinierend.
Sofort schoss ihr Puls wild in die Höhe. Das war nicht gut.
Genau von dieser Sorte Mann sollte ein Kontrollfreak wie sie sich
besser fernhalten. Aber wie die Gefahren, die ihr Beruf mit sich
brachte, übte er eine unheilvolle Anziehungskraft auf sie aus.
Was hatte ein Mann wie er auf einer Veranstaltung für alleinstehende
Mediziner und Pfleger verloren? Er trug jedoch ein
Namensschild, und ohne Krankenhausausweis wurde man gar
nicht zugelassen. Vielleicht ein Verbindungsmann der Polizei?
Militärarzt?
Da er alle anderen im Saal um gute fünfzehn Zentimeter
überragte, war das dichte, schwarzbraune Haar gut zu erkennen;
offensichtlich hatte er es gerade noch nass gekämmt, auch wenn
die widerspenstigen langen Wellen dadurch keineswegs gebändigt
wirkten. Also doch kein Militär. Unterhalb der Schultern
konnte sie nicht viel erkennen, aber die waren immerhin breit
genug, um seinen Anzug ganz auszufüllen. Mehr als das.
Interessanterweise schien er sich sogar noch unwohler zu
fühlen als sie selbst.
Aus zusammengekniffenen Augen ließ er seinen Blick durch
den Raum schweifen, als ob er nach irgendetwas oder irgendjemand
Bestimmtem Ausschau halten würde. So erwischte er sie
dabei, wie sie ihn anstarrte. Wieder hüpfte ihr Puls unkontrolliert
nach oben. O nein. Sie wollte wegsehen. Wusste instinktiv,
dass sie wegschauen sollte. Aber sie konnte beim besten Willen
nicht.
Anstatt weiter den Raum abzusuchen, erwiderte er ihren Blick
so lange, bis Rainie spürte, dass sie errötete.
Dann setzte er sich in Bewegung. Direkt auf sie zu.
Grundgütiger.
Die ganze Zeit über hatte Gina weiter vor sich hin geplappert,
auf diesen und auf jenen Mann gezeigt. Endlich fiel ihr auf, dass
sie nicht beachtet wurde.
»Du bist nicht gerade sehr …« Ihre Freundin brach ab und
schnappte hörbar nach Luft.
»Junge, Junge, ich glaube, ich stecke in Schwierigkeiten«,
murmelte Rainie, während sie dem Mann mit wachsender Angst
entgegenblickte, der immer näher kam. Oder handelte es sich
bei diesem Vibrieren tief unten im Bauch etwa um freudige
Erwartung?
Was um alles in der Welt waren das für Fantasien? Unglücklicherweise
waren die Bilder ziemlich eindeutig.
Und offensichtlich standen ihr die sündigen Gedanken ins
Gesicht geschrieben, denn nun fiel Gina die Kinnlade herunter.
»Das ist doch wohl nicht dein Ernst«, zischte sie ihr entrüstet ins
Ohr. »Dieser Kerl? Der sieht aus wie ein Serienmörder!«
»Ich finde ihn verdammt sexy«, kam es Rainie spontan über
die Lippen. Sofort warf sie ihrer Freundin einen bestürzten Blick
zu – hatte sie das eben etwa laut ausgesprochen?
»Den nimmst du auf gar keinen Fall mit nach Hause, Lorraine
Martin!«
Offensichtlich hätte sie es getan. »Ich werd mich hüten, Gini.
Aber vielleicht ein Drink … Hier an der Bar.«
»Nein«, wandt Gina ein, »so war das schließlich nicht gedacht,
Rain. Mädchen, du brauchst mehr als nur einen Drink. Das hier
ist deine Gelegenheit, jemand Harmlosen zu finden, den du mit
auf ein Zimmer nehmen kannst. Irgendeinen netten …«
»Sterbenslangweiligen Arzt?« Rainie schüttelte den Kopf. Nur
über ihre Leiche. Mochte sie vielleicht eine einsame Memme
sein, verzweifelt war sie nicht. »Nein, danke. Außerdem, was
ist schon dabei, wenn ich etwas mit ihm trinke? Du weißt doch,
dass ich gut allein auf mich aufpassen kann«, erinnerte Rainie
sie. Das stimmte. Seit Jahren leitete sie in der Notaufnahme ein
Forschungsprojekt für neuartige Medikamente; ihre Ausbildung
an der Universität zur »Nurse Practitioner« qualifizierte sie dazu,
auch eigenständig über Behandlungen zu entscheiden. Im Zuge
dieses Projektes hatte sie es mit allerhand schrägen Gestalten
zu tun gehabt, hinzu kamen sieben Jahre Training in Selbstverteidigung.
Sie war sehr gut in der Lage, jeden wie auch immer
gearteten unerwünschten Annäherungsversuch abzuwehren.
Das gehörte für sie zum Alltag.
»Ich weiß, aber –«
»Mir wird nichts passieren, Gina. Geh. Sonst überlege ich es
mir noch anders und renne lauthals schreiend zum Ausgang.«
Nach kurzem Zögern kam ein zustimmendes »Na gut, Süße«
von ihrer Freundin. »Dann gönn dir eben dein Abenteuer. Aber
wenn du mich morgen früh nicht postwendend anrufst, schicke
ich die Polizei vorbei.« Damit verschwand sie im Gedränge.
Inzwischen hatte sich der Fremde durch die Menge zu ihr
durchgeschlängelt und blieb direkt vor Rainie stehen. Ihr schlug
das Herz bis zum Hals hinauf.
Gemächlich glitt sein Blick an ihrem viel zu kurzen Kleid
hinunter, das mehr als freizügig geschnitten war. Auf dem Weg
wieder nach oben hielt er auf der Höhe ihrer Brüste inne, und
im selben Augenblick spürte sie, wie ihre Brustwarzen sich aufrichteten.
Ihm entging das natürlich nicht. Auch wenn er nicht
lächelte, so verdunkelten sich seine blauen Augen dennoch zu
einem verhangenen Graublau, als er ihre Reaktion bemerkte.
Immer tiefer errötend, verlor Rainie allmählich vollkommen
die Fassung. »Hören Sie, ich –«
»Möchten Sie etwas trinken?«, unterbrach er sie erstaunlich
ruhig und gesittet, wenn man bedachte, dass sie gerade das
Gefühl hatte, jeden Moment ohnmächtig werden zu müssen.
Das war eindeutig keine gute Idee.
»Kennen wir uns?«, fragte sie, um Zeit zu gewinnen, obwohl
sie verdammt genau wusste, dass dem nicht so war. Sie schaute
auf das marineblaue Revers. Auf seinem Namensschild stand Dr.
Nathan Daneby.
Ihr fielen beinahe die Augen aus dem Kopf – Nathan Daneby? –,

und schon schnellte ihr Blick wieder nach oben zu seinem
Gesicht. Verwunderung machte sich in ihr breit. »Sie sind Dr.
Nathan Daneby? Von Doctors for Peace?«
Ein beunruhigter Ausdruck huschte über sein Gesicht. »Sie
kennen mich?«
»Ja! Also, nein. Ich meine, nicht persönlich, aber Ihren Namen
kennt doch jeder. Gut, vielleicht nicht jeder, aber ich.« Ihre
Anspannung floss geradezu aus ihr heraus, um heller Aufregung
Platz zu machen. »Ich bewundere Sie schon seit Jahren. Seit
Sie diese Dorfbewohner in Afghanistan gerettet haben, also seit
dem Krieg, habe ich Ihre Karriere verfolgt. Das war einfach
unglaub…« Dann zuckte sie peinlich berührt zusammen und
unterbrach sich mitten im Satz. »Tut mir leid, Dr. Daneby, ich
plappere hier vor mich hin, und dabei sind Sie bestimmt nicht
hier, um sich mit Groupies zu unterhalten.«
Sein leicht alarmierter Gesichtsausdruck verwandelte sich,
aber ihr war nicht ganz klar, wie sie das zu deuten hatte.
Dann hüstelte er. Lockerte sich dann mit einem Finger den
Krawattenknoten und zog daran, als hätte ihm der Schlips die
Luft abgeschnürt. »Eigentlich werde ich in den Staaten eher
selten erkannt. Nie, um genau zu sein. Jetzt gerade zum ersten
Mal.«
Rainie räusperte sich. Himmel, sie war dabei, das hier gründlich
zu vermasseln. Bestimmt würde er gleich das Weite suchen.
Dabei wollte sie erstaunlicherweise wirklich nicht, dass der
Mann wieder ging – sie konnte sich gar nicht erinnern, schon
einmal auf diese Weise empfunden zu haben.
»A…, also, äh«, stammelte sie. »Was führt Sie denn nun tatsächlich
hierher? Nach New York, meine ich. Und, äh. Hierher.
Zu dieser«, zutiefst verlegen fuchtelte sie unsicher mit den Händen
herum, »hm, Veranstaltung.«
Sicher war er nicht hier, um jemanden kennenzulernen. Dr.
Nathan Daneby war schließlich berühmt! Nun ja, irgendwie. In
bestimmten Kreisen. Genauer gesagt, unter Krankenschwestern,
die im Warteraum den National Geographic lasen und dann
davon träumten, selbst genügend Mut zu besitzen, um sich aus
ihrem gewohnten Umkreis von zehn Häuserblocks herauszuwagen,
ohne vor lauter Angst wie gelähmt zu sein.
Wie wäre es wohl, solch Abenteuer wie die von Nathan Daneby
zu erleben? Sie konnte sich das nicht einmal vorstellen.
Dann trat er noch näher an sie heran und hob eine Hand. Sie
war groß, kräftig und nicht manikürt. Eine Hand, die augenscheinlich
keine harte Arbeit scheute. Aus irgendeinem unerfindlichen
Grund machte ihn das nur noch attraktiver.
Sie nahm auch seinen Geruch wahr. Moschusartig, geheimnisvoll
und herrlich männlich. Ganz pur: kein Rasierwasser, kein
Shampoo, kein Atem mit Minzaroma. Nur purer Mann.
Ob es ihm wohl auffallen würde, wenn sie sich ein wenig näher
lehnte, um tiefer einzuatmen?
Mit ausgestrecktem Zeigefinger tippte er sachte auf das Namensschildchen
am knappen Oberteil ihres trägerlosen Kleids.
Dann zog er mit der Fingerkuppe ganz langsam, o Gott, so
aufreizend langsam – eine Linie an ihrem Namen und der Berufsbezeichnung
entlang. Es war, als würde sie von einem heftigen
elektrischen Schlag getroffen, der von den aufgerichteten
Brustwarzen ausging und in ihrer Körpermitte einschlug.
»Ich könnte mir vorstellen, dass ich aus dem gleichen Grunde
hier bin wie Sie: Lorraine Martin, Nurse Practitioner.« Er beugte
sich über ihr Haar. »Aber ich würde lieber unbemerkt bleiben,
wenn das für Sie in Ordnung ist.«
Seine Hand verweilte an der Wölbung ihres Busens. Urplötzlich
sehnte sie sich danach, dass er sie unter das Kleid gleiten
lassen und ihre Brust berühren würde. Sie um die nackte …
Ach du lieber Himmel, was war nur in sie gefahren? So heftig
war sie schon seit Jahren nicht mehr auf einen Mann angesprungen.
Falls überhaupt jemals. Ihr Gesicht stand in Flammen.
»Aber sicher«, sagte sie im Bemühen, ihre Stimme ruhig klingen
und sich nicht anmerken zu lassen, was für unangemessene
Gedanken ihr gerade durch den Kopf schossen.
»Und unser gemeinsamer Drink …?
Tu es nicht!, schrie alles in ihr.
»Klar!«, sagte sie laut.
»Hier?«
In der leise ausgesprochenen Frage schwang weit mehr mit.
Rainies Pulsschlag schnürte ihr die Kehle ab.
Könnte sie? Sollte sie?
Herrje, erwog sie etwa ernsthaft, das Hotel mit ihm zu verlassen?
Ausgerechnet sie, die immer so übervorsichtig war. Stets
auf ihre persönliche Sicherheit bedacht. Die so gut um die dort
draußen lauernden Bedrohungen wusste, die ein Leben jeden
Moment völlig grundlos auslöschen konnten. Dieser Mann war
praktisch ein Fremder. Noch dazu umgab ihn eine ziemlich
starke Aura von Gefahr. Seine Welt war so fern von ihrer eigenen,
dass ihr schwindlig wurde, wenn sie nur darüber nachdachte.
Nein! Nein! Nein! Tu es nicht!
Trotzdem wollte ihr einfach keine ablehnende Antwort über
die Lippen kommen. Das sah ihr so wenig ähnlich, dass Rainie
sich fragte, ob ihr Körper vielleicht von irgendeinem Außerirdischen
übernommen worden war.
Wie war das noch mit den Hormonen und der Intelligenz
gewesen?
Aber Nathan Daneby war ihr keineswegs fremd, versuchte sie
sich dann selbst zu überzeugen. Jedenfalls nicht wirklich. Und
sie würde wirklich gerne mit ihm über seine spannende Arbeit
reden. All die tollen Reisen und Abenteuer. Und vielleicht … Ja,
vielleicht auch mehr als nur reden, wenn sie tatsächlich den Mut
aufbringen würde, darauf einzugehen, was sein flackernder Blick
so unmissverständlich versprach.
Mehr atemberaubende Spannung, als ihr bisher in ihrem ganzen
Leben widerfahren war.
Und außerdem, wann würde eine Frau wie Lorraine Martin
jemals wieder die Gelegenheit haben, einen Mann wie ihn kennenzulernen?
Und so nahm sie allen Mut zusammen und sprang von der
Klippe, mitten hinein in diese Verrücktheit, die sie nicht länger
kontrollieren konnte. Sie fragte: »Warum verschwinden wir nicht
von hier?«

Zurück